100. Geburtstag von Friedrich Stephan

Rede von Dr. Walter Caroli am 24. November 2015 in Freistett anlässlich des 100. Geburtstags von Friedrich Stephan

(Foto v. l. n. r.): Laudator Dr. Walter Caroli, OV-Vorsitzender Helmut Lind, Friedrich Stephans Sohn Hartmut Stephan und Bürgermeister der Stadt Rheinau, Michael Welsche.

 

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, liebe Angehörige von Fritz Stephan, sehr geehrte Mitglieder des Rheinauer Gemeinderats, meine Damen und Herren,

heute vor 100 Jahren wurde Friedrich Stephan geboren, nach dem Zusammenbruch der nationalsozialistischen Diktatur ein Parlamentarier der ersten Stunde, ein Wegbereiter der SPD in unserer Raumschaft nach dem Zweiten Weltkrieg und ein maßgeblicher Konstrukteur der Stadt Rheinau.

Es ist mir, als sein Fraktionskollege im Kreistag des Ortenaukreises von 1979 bis 1983, als späteres Mitglied der SPD-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg und als Verfasser historischer Werke eine Ehre, ihm anlässlich seines 100-jährigen Geburtstages einige Worte zu widmen.

Am 24. November 1915 wurde Friedrich Stephan als Sohn des Zigarrenmacher-Ehepaars Friedrich Stephan und Rosina, geb. Klotter in Freistett geboren. Nur wenige Monate später verlor sich die Spur des Vaters, da er im Ersten Weltkrieg, irgendwo an der Westfront, sein Leben verlor. Die Mutter verheiratete sich nicht wieder, sodass Friedrich in ihrer alleinigen Obhut aufwuchs. Das Einkommen der Mutter setzte sich aus einer kärglichen Witwenrente und dem ebenfalls bescheidenen Lohn für Fabrikarbeit zusammen. So lernte Friedrich schon als Kind das damals entbehrungsreiche Dasein einer Arbeiterfamilie kennen, was ihn für sein ganzes Leben prägen sollte. Friedrich Stephan besuchte die Volksschule in Freistett und begann nach der Schulentlassung eine Lehre als Bauschlosser. Wenige Wochen nach Ablegung der Gesellenprüfung wurde er wegen mangelnder Aufträge entlassen. Als ihm, wie Stephan selbst berichtete, die nationalsozialistische Kriegsopferorganisation (NSKOV) in eine Arbeitsstelle vermitteln wollte, wurde von ihm eine politische Zuverlässigkeitsbescheinigung verlangt, die ihm aber der damalige Bürgermeister und NSDAP-Kreisleiter Anthoni verweigerte. Schon 1932 hatte sein Arbeitgeber von ihm den Austritt aus der Eisernen Front verlangt. Diese Austrittserklärung stellte ihm der SPD-Vorsitzende und Leiter der Eisernen Front in Freistett, der Lehrer Hillenbrandt mit den Worten aus: „In einigen Monaten ist der Nazi-Spuk ohnehin vorbei“. Auf dem Arbeitsamt bedeutete man ihm, dass Familienväter bei Arbeitsvergaben bevorzugt würden und empfahl ihm den freiwilligen Arbeitsdienst, dem er dann 1934 beitrat.

1935 meldete sich Friedrich Stephan freiwillig zum Wehrdienst und leistete die zweijährige Dienstpflicht ab. Danach wurde er Unterführer beim neu konstituierten Reichsarbeitsdienst. Er war im Lager in Pforzheim tätig und wurde dann in die Arbeitsgauleitung in Karlsruhe versetzt, bereitete sich dort parallel zur Arbeit für den Gehobenen Dienst vor und bestand 1940 dafür die Aufstiegsprüfung. Stephan wurde 1941 eingezogen und war zunächst an der Westfront und dann an der Ostfront als Leutnant und Kompanieführer eingesetzt. 1943, während des Krieges, verheiratete er sich in Freistett mit Helma Falk. Aus der Ehe sind vier Kinder, Sieglinde, Ursula, Margitta und Hartmut hervorgegangen. Nachdem Stephan in Ostpreussen verwundet worden war, gab es einen kurzen Aufenthalt bei einer Genesungskompanie auf dem Heuberg. Darauf folgte erneut ein Einsatz an der Westfront, wo er am 27. April 1945 in amerikanische Kriegsgefangenschaft geriet.

Vom 18. bis zum 30. Lebensjahr musste also Friedrich Stephan die Zeit des Nationalsozialismus durchleben. Wie mag 1933 die in der Bevölkerung umjubelte Machtübernahme auf den jungen Arbeitslosen, der 1932 der sozialistischen Arbeiterjugend beigetreten war, eingewirkt haben? Welche Gedanken durchkreisten ihn vor und während des Krieges und wie verarbeitete er die Fronterlebnisse? Welchen Eindruck machte die trommelartige Nazi-Propaganda auf ihn? Wir wissen es nicht, aber einige Aussagen in Reden, die im Landtag von Baden-Württemberg archiviert sind, geben einige Hinweise. Anlässlich des 125. Gründungsjubiläum der SPD im Jahre 1968 sagte er: „Die heutige junge Generation stellt uns oft die Frage, warum habt ihr Hitler nicht verhindert? Wir, die wir die Zwanziger-Jahre miterlebt haben, wissen, dass die Folgen des verlorenen Ersten Weltkriegs, mit den harten Bedingungen des Versailler Friedensvertrags und der Ende der 1920er-Jahre ausgebrochenen Weltwirtschaftskrise dem Demagogen Hitler die Massen zugetrieben haben.“ Und in einer selbst verfassten Darstellung seines beruflichen und politischen Lebenswegs führte er aus: „Besonders das Erlebnis des Krieges bestärkte mich in der Erkenntnis, dass ich bis 1933 auf der richtigen Seite gestanden hatte“.

Schon im November 1945 wurde Stephan aus der Kriegsgefangenschaft entlassen und nahm daraufhin sofort seine Arbeit im früheren Beruf des Bauschlossers bei der Schiffswerft in Freistett wieder auf. Während der Kriegsgefangenschaft muss er sich gedanklich damit befasst haben, beim demokratischen Aufbauprozess als Sozialdemokrat entscheidend mithelfen zu wollen. Denn bereits im Dezember 1945 nahm er an ersten Treffen der nach dem Krieg übrig gebliebenen Sozialdemokraten teil. Im Februar 1946 wurde der Freistetter Ortsverein der Sozialistischen Partei Land Baden gegründet. Zum Vorsitzenden wählte man Friedrich Müller, der vor dem Verbot der SPD 1933 als letzter Vorsitzender fungiert hatte und Friedrich Stephan, den Jüngsten der Anwesenden, zu seinem Stellvertreter. Am 1. Mai 1946 wurde Stephan zum Vorsitzenden des neu gebildeten Kreisverbandes der SP, wie die SPD in der französischen Zone heißen musste, gewählt und machte es sich zur wichtigsten Aufgabe, die vor 1933 bestandenen SPD-Ortsvereine wieder zum Leben zu erwecken. Dies gelang ihm beispielsweise in Rheinbischofsheim, Helmlingen, Diersheim und Linx, in den katholischen Gebieten aber nur unter größten Schwierigkeiten, und auch oft nur vorübergehend. Eine  nicht geringe Rolle hätten oft streng gläubige Ehefrauen gespielt, berichtete Stephan einmal. Sie hätten es nicht dulden wollen, dass sich ihr Ehemann den „Roten“ anschloss. In Oppenau und Lautenbach sei ihm sogar einmal von Ehefrauen die Tür gewiesen worden.

Mit dem alten Damenfahrrad seiner Mutter war Stephan damals ständig unterwegs, konnte aber, als er zum 1. Januar 1947 zum Geschäftsführer der SPD im Unterbezirk Offenburg berufen wurde, ein Motorrad erwerben. Seine Schilderung der Arbeitsbedingungen als Geschäftsführer will ich ihnen, meine Damen und Herren, nicht vorenthalten:

„In Offenburg wurden mir am 15. Januar 1947 in der Hauptstraße 105 von der Stadt zwei leere Zimmer zur Verfügung gestellt. Möbel gab es keine. Ich möblierte mein Parteibüro, das zugleich Küche, Wohn- und Schlafraum wurde, mit der Glasvitrine und dem Tisch aus der guten Stube meiner Mutter. Desgleichen mit dem alten, aber schön breiten Hochzeitsbett meiner Eltern, 2 Stühlen und einem eisernen Ofen, den mir der Stadtrat Dielenschneider besorgte. Brennmaterial war auch nicht vorhanden, sodass ich zunächst zwei Säcke Holz aus dem Bestand meiner Mutter mit nach Offenburg transportierte, und zwar mit dem Milchauto, mit dem ich auch öfters am Montagmorgen von Freistett nach Offenburg zum Dienstantritt fuhr. Die Stadt Offenburg wies mir umgehend im Stadtwald ein Los Brennholz zu, zugleich für unsere Lokalredaktion „Das Volk“, unserer ersten Parteizeitung. Das Brennholz musste ich mit dem Genossen Oswald aus Elgersweier, der die Lokalredaktion im Vorzimmer meines Parteibüros betreute, im Wald selbst aufbereiten. Es musste dann einige Wochen hinter dem Ofen im Büro getrocknet werden, bevor es als Brennholz verwertbar war. Unter solch primitiven Verhältnissen haben wir damals die Parteiarbeit im Unterbezirk Offenburg beginnen müssen. Wir waren allerdings durch die Entbehrungen des Krieges einiges gewohnt und nahmen alle diese Beschwerden auf uns.“

Mit der Wahl des Badischen Landtags für das Bundesland Baden, das den Bereich Südbaden umfasste, begann Friedrich Stephans einzigartige landespolitische Karriere, die 29 Jahre dauern sollte. Seine erste Wahl in den Landtag am 18. Mai 1947 verdankte er einem Kuriosum, denn im Wahlkreis Kehl-Bühl kandidierte der Freiburger Dr. Marcel Nordmann, der aber auch gleichzeitig im Wahlkreis Freiburg Land-Müllheim nominiert war. Nordmann erhielt in beiden Wahlkreisen exakt die gleiche Stimmenzahl, nämlich 6.370 Stimmen, und musste sich für einen der beiden Wahlkreise entscheiden. Da er sich für die Annahme des Mandats im Wahlkreis Freiburg-Müllheim entschied, rückte der 31-jährige Friedrich Stephan, der an zweiter Stelle der Vorschlagsliste des Wahlkreises Kehl-Bühl stand, als der jüngste von 13 Abgeordneten der Sozialistischen Partei Badens in den ersten Landtag ein und sah sich dort 34 Vertretern der Christlich-Sozialen Volkspartei (der späteren CDU), neun Liberalen und vier Kommunisten gegenüber.  Der Landtag wurde für vier Jahre gewählt, blieb aber bis 1952 aufgrund der Verhandlungen des geplanten Zusammenschlusses von Baden mit Württemberg-Hohenzollern und Württemberg-Baden zusammen. Am 6. August 1947 bestimmte das Parlament den Leo Wohleb zum Staatspräsidenten, der schon seit April 1946 die provisorische Landesregierung geführt hatte. Die badische Staatskanzlei und Residenz des Präsidenten wurde das Colombischlössle in Freiburg, das Parlament tagte im Historischen Kaufhaus. Am 25. April 1952 ging das Land Baden zusammen mit Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern gegen den Willen der badischen Bevölkerung im neuen Bundesland Baden-Württemberg auf, der Badische Landtag wurde aufgelöst.

Der demokratische Neuaufbau wurde den ersten Abgeordneten des badischen Landtags  in den 1940er-Jahren nicht gerade leichtgemacht. Anders als die heutigen Landtagsabgeordneten, die sich mit Freikarte in der ersten Klasse nach Stuttgart bewegen, hatte Stephan schon bei Hin- und Rückfahrt erhebliche Erschwernisse in Kauf zu nehmen. Wenn eine Landtagssitzung in Freiburg angesetzt war, musste er morgens um 5 Uhr mit dem Fahrrad zum Bahnhof Renchen fahren. Von dort brachte ihn ein Personenzug, dessen Fenster wegen der Kriegsschäden mit Brettern vernagelt waren, nach Freiburg. In der Tasche hatte er einige Kartoffeln, die er dem Mittagessen hinzufügte, das die Abgeordneten im Hotel Oberkirch neben dem Kaufhaus, meistens aus Quark oder Gelben Rüben oder Krautgemüse bestehend, erhielten. Oft saß man nach Ende der Sitzung im Freiburger Bahnhof und musste bis zum Morgengrauen warten, bis der Zug endlich abfuhr. Auch die Vergütung der Abgeordneten war im Vergleich zu der heutigen äußerst bescheiden. Sie erhielten eine Monatspauschale von 150 Mark und 15 Mark Sitzungsgeld pro Tag. Den Abgeordneten standen auch keine wissenschaftlichen Mitarbeiter und keine Sekretärinnen zur Verfügung. Sie mussten ihre Anträge und Anfragen selbst schreiben, und dies in einer Zeit, wo es galt, durch eine Fülle von Gesetzen das Erbe des Nationalsozialismus zu überwinden.

Nach der Bildung des Landes Baden-Württemberg vertrat Stephan den Wahlkreis Offenburg-Kehl. Bodenständig wie er war, setzte er sich insbesondere für den ländlichen Raum ein. Die Landwirtschaft, auch die Situation der vielen Nebenerwerbsbetriebe, waren ihm ein Herzensanliegen. Als Mitglied und Vorsitzender des Petitionsauschusses hat er vielen Bürgerinnen und Bürgern in Notlagen geholfen. Als seine schwierigste Aufgabe als Parlamentarier bezeichnete er die Probleme der frühen Nachkriegszeit, wie die Hilfestellungen für die zu 75 Prozent beschädigte Stadt Kehl und für ihre evakuierte Bevölkerung sowie für die sogenannte „Rote Zone“ der kriegsbeschädigten Gemeinden entlang des Rheins. Manchen Strauß focht er mit der französischen Besatzungsmacht aus, über deren rigorose Entnahmepraxis er sich empörte. Als er in einer Versammlung überspitzt formulierte, die Diktatur der Nationalsozialisten sei offensichtlich durch die Diktatur der Besatzungsmächte abgelöst worden, erteilten ihm die Franzosen drei Monate Redeverbot. Nach 29 Jahren Zugehörigkeit schied Friedrich Stephan 1976 aus dem Landtag aus. Er hatte auf eine weitere Kandidatur verzichtet, weil sich die Abgeordnetentätigkeit, wie er meinte, nicht mehr mit seiner Aufgabe als Bürgermeister von Rheinau vereinbaren ließ.

Aber, blicken wir noch einmal weiter zurück. Was war aus seiner Tätigkeit als Unterbezirkssekretär der SPD geworden? Am 1. August 1948 berief ihn der Landesvorstand zum Landessekretär nach Freiburg. Dort blieb er auch nach der Entstehung des Südweststaats im Amt bis er 1969 zum Bürgermeister seiner Heimatstadt Freistett gewählt wurde.

Bevor sein kommunalpolitisches Wirken beschrieben wird, soll kurz ein Phänomen beleuchtet werden, mit dem die gestandenen Sozialdemokraten in den 1970er-Jahren zu kämpfen hatten. Der gesellschaftliche Wandel im Nachklang der 1968er Studentenrevolte, die Lichtgestalt Willy Brandts und neue ökologische Strömungen, die u. a. von Erhard Eppler verkörpert wurden, hatte massiv auf die SPD eingewirkt und viele junge Leute, u. a. mich selber, ihr zuströmen lassen. Stephan zeigte sich, wie auch die Bundestagsabgeordneten Martha Schanzenbach und Dr. Fritz Rinderspacher, leicht irritiert. Als er Fraktionsvorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion war, konnte ich dieser inneren Spannung ein wenig nachspüren. Ich erinnere mich an sein ruhiges, völlig unaufgeregtes Auftreten, an seinen freundlichen Umgang mit seinen Fraktionskollegen, an seine betonte, fast spröde Sachlichkeit, und auch an den skeptischen Blick, mit dem er „junge Wilde“, zu denen ich damals auch gehörte, bei ihm missfallenden Äußerungen musterte.

Das Gefühl, aus den alten politischen Bahnen herausgerissen zu sein, beschrieb Stephan, nachdem er sich in den Ruhestand begeben hatte, – grundehrlich, bescheiden, durchaus selbstkritisch, aber auch stolz und selbstbewusst wie er war, – wie folgt: „Mein politisches Leben gehörte der SPD. Sie wird auch immer meine politische Heimat bleiben, auch wenn die nachfolgende Generation, die manches anders beurteilt und manche Beschlüsse fasst, die wir Ältere nicht immer mittragen möchten, denn ich habe gerade im Umgang mit den Besserverdienenden in Wirtschaft und Gesellschaft feststellen können, wie diese sogenannte Oberschicht ihre wirtschaftlichen Privilegien verteidigt und durch die Politik der Parteien rechts von der SPD abschirmt. Manche, insbesondere jüngere Genossen, haben mich gelegentlich als einen rechtsstehenden Sozialdemokraten bezeichnet. Natürlich bin ich im Laufe meiner langjährigen politischen Tätigkeit vom Himmelsstürmer zum Pragmatiker geworden und ideologische Aspekte traten in den Hintergrund. Ich habe gelegentlich dann auch humorvoll gekontert, indem ich sagte, ich sei stolz, ein rechter Sozialdemokrat zu sein, im Gegensatz zu den falschen. Dass ich 29 Jahre lang diesen Wahlkreis vertreten durfte, und dass ich bei der Wiederwahl als Bürgermeister 1975 in Freistett 82 Prozent aller Stimmen erhielt, war mir Beweis genug, dass ich mich auf dem richtigen Weg befand.“

Meine Damen und Herren,

Das 1968 vom baden-württembergischen Landtag beschlossene Gesetz zur Stärkung der Verwaltungskraft kleinerer Gemeinden bedeutete für den 1969 zum Bürgermeister der Stadt Freistett gewählten Friedrich Stephan die größte Herausforderung in seinem kommunalpolitischen Wirken. Schon zwei Jahre nach seiner Wahl konnte die Eigliederungsvereinbarung mit Memprechtshofen unterzeichnet werden. Geradezu heftig und leidenschaftlich wurden die Fragen diskutiert, ob der Verwaltungsraum Freistett-Rheinbischofsheim eine Verwaltungsgemeinschaft oder eine Einheitsgemeinde werden sollte, und wo der Sitz des Konstrukts liegen solle. Die kleineren Gemeinden in dem Verwaltungsraum schlossen sich zunächst entweder mit Freistett, oder mit Rheinbischofsheim zusammen. Ein heftiges Ringen zwischen den Landtagsfraktionen führten über einen interfraktionellen Antrag zu einer Schlussabstimmung, die beinhaltete, dass aus der Stadt Freistett und der Gemeinde Rheinbischofsheim die neue Stadt Freistett-Rheinbischofsheim gebildet werden solle. Daraufhin gab es ein Gerangel um die Namensfindung und die Festlegung des Verwaltungssitzes. Über den Vorschlag einer Verteilung der Ämter auf die beiden größten Gemeinden Freistett und Rheinbischofsheim konnte man sich nicht einigen. Nach fünf Verhandlungsrunden einigte man sich auf den Namen Rheinau, Stephan wurde zum Amtsverweser der neuen Gemeinde gewählt, der Verwaltungssitz wurde im Stadtteil Freistett eingerichtet und Rheinbischofsheim erhielt einige Ämter der Gesamtgemeinde. Die „Vereinbarung über die Rechtsfolgen der Vereinigung der Stadt Freistett und der Gemeinde Rheinbischofsheim zu der neuen Stadt Rheinau“ trat am 1. Januar 1975 in Kraft. Dass die beim Zusammenschluss der 9 Gemeinden entstandenen Wunden nicht so schnell heilten, zeigte sich bei der Bürgermeisterwahl im Jahre 1975, bei der höchst unterschiedliche Ergebnisse in den einzelnen Stadtteilen auftraten. Stephan hatte mit dem Regierungsoberinspektor Artur Kübler einen respektablen Gegenkandidaten, erreichte aber in der Gesamtgemeinde einen Stimmenanteil von 58 Prozent. Beim Amtsantritt betonte er, dass die Eigenart der Stadt Rheinau darin bestehe, dass sie eine weit verstreute Flächenstadt mit 9 Teilorten darstelle mit einer Entfernung von 18 Kilometern von der südlichen bis zur nördlichen Gemarkungsgrenze und ohne zusammenhängende Bebauung zwischen den einzelnen Stadtteilen. Man müsse sich bemühen, künftig die Beschlüsse auf breiter Mehrheitsbasis zu fassen, damit kein Stadtteil Anlass habe, zu glauben, er sei abgeschrieben und würde hinter das Gros der Stadt zurückgesetzt sein. Eine Stadt entstehe nicht durch die gesetzlich verordnete Zusammenlegung, sondern dadurch, dass sie in einem natürlichen Entwicklungsprozess zusammenwachse. Wie aktuell diese Bemerkungen heute noch sind, wissen Sie Herr Bürgermeister und Sie, meine Damen und Herren Gemeinderäte, besser zu beurteilen, als ich.

Ein dicker Ordner im Rathaus in Freistett enthält Reden des Bürgermeisters Friedrich Stephan von 1972 bis 1982. Hier findet man Ausführungen über alle kommunalpolitischen Projekte seiner Bürgermeisterzeit, wie das gigantische Projekt der Rheinstaustufe, die Errichtung eines Schul- und Sportzentrums, der Bau der Realschule, einer Schulsporthalle, des Hallenbades und des Maiwaldstadions, das später nach ihm umbenannt wurde. Auf sie detailliert einzugehen, würde dem Charakter der heutigen Gedenkveranstaltung zuwiderlaufen. Erwähnt seien noch der Bau des Klärwerks und der Kanalnetze und die Renovierung der Rathäuser in den Stadtteilen nebst vielen anderen Investitionen, bei denen er sich um ausgewogene Verteilung bemühte.

Bei seiner Zuruhesetzung, am 10. Juni 1983, verlieh ihm die Stadt Rheinau die Ehrenbürgerwürde. Sein landespolitisches Engagement wurde 1967 mit der Verleihung des Großen Verdienstkreuzes des Verdienstordens und 1983 mit der Überreichung der Goldenen Verdienstmedaille des Landes gewürdigt. Friedrich Stephan hat sich im Ruhestand nicht zurückgezogen, vielmehr baute er das Heimatmuseum auf und nahm am öffentlichen Leben teil. Er starb am 14. Mai 1997. Bei der Trauerfeier in der Freistetter St.-Georgskirche würdigten der Rheinauer Bürgermeister Meinhard Oberle und Pfarrer Theo Oehler seine Persönlichkeit und sein landes- und kommunalpolitisches Wirken. Als damaliger Landtagsabgeordneter nahm ich Abschied für die SPD, u. a. mit den folgenden Worten: „Fritz Stephan gibt uns mit auf den weiteren Weg, dass nicht Ellenbogenmentalität und Ichbezogenheit, sondern Pflichterfüllung, Überzeugung, Prinzipientreue, Hilfsbereitschaft und Zivilcourage unser Gemeinwesen weiterentwickeln und stabilisieren.“ Dies gilt heute, wie ich meine, vor dem Hintergrund der gegenwärtig zunehmenden und sich verschärfenden politischen Probleme in unserem Land und in unserer Raumschaft, erst recht. Stephan selbst hat diesen Grundsatz in einer Rede bei der Feierstunde zum 70. Geburtstag des SPD-Ortsvereins Rheinau im Jahre 1985 so formuliert: „Politik ist nicht ein einmaliger Schöpfungsakt, sondern die ständige Aufgabe, für soziale Gerechtigkeit einzutreten und die Freiheit und den Frieden für die Menschen zu sichern.“

Meine Damen und Herren,

Es ist richtig und wichtig, dass die Stadt Rheinau am 100-jährigen Geburtstag Friedrich Stephans an ihren und des Hanauerlands großen Sohn erinnert und ihm eine Gedenkfeier widmet. Friedrich Stephan hat als Landespolitiker am Wiederaufbau der Demokratie in Baden nach 1945 großen Anteil, die Gründung der Stadt Rheinau und ihre Entwicklung zu einer leistungsfähigen und prosperierenden Gemeinde sind untrennbar mit seinem Namen verbunden.

 

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